80. Geburtstag von Stettin, Teil 2: Von Journalisten, Sängerinnen, einem Künstler-Ehepaar, einer Pracht-Villa und einem Gemeinschaftshaus auf dem Land

Stettin ist voller Menschen, die ich liebe und schätze. Oder zumindest, die ich kenne und bewundere. Oder zumindest, die ich kennen sollte. Stettin platzt vor Geschichten, die noch erzählt und gehört werden wollen.

In dieser Folge geht es vor allem um Menschen, und natürlich um die Fortsetzung der Geburtstags-Feierlichkeiten der Stadt, denn damit sind wir noch nicht fertig.

Leider verspäte ich mich gern, ich plane zu viel, ich will zu viel auf einmal, und dann passieren unerwünschte Dinge, unerwartete Pannen, dann sagt das Schicksal zu mir: Stopp! Halte an! Du bist nicht die rasende Reporterin Karla Kolumna! [1]

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80. Geburtstag von Stettin, Teil 1: Stadtbibliothek, Friedhof, Dezember 1970 und Straßenbahn nach Swinemünde

Ein Geburtstagsfest steht bevor, ein schönes Jubiläum – und große Feierlichkeiten. Vor 80 Jahren wurde Stettin am 5. Juli 1945 nach einigem dramatischen Hin- und Her von der polnischen Verwaltung übernommen und der erste Präsident der Stadt Piotr Zaremba konnte sein Amt antreten. Zuvor, am 26. April 1945, war die Stadt von sowjetischen Truppen besetzt worden. Auf der Potsdamer Konferenz wurde beschlossen, Stettin sozusagen als „Entschädigung“ für den Verlust der polnischen Ostgebiete an Polen anzugliedern. Eine für viele Deutsche tragische Konsequenz des von Hitler-Deutschland entfachten Zweiten Weltkrieges. Seitdem gehört meine Heimatstadt auf beiden Seiten der Oder zu Polen, auch wenn man sich lange Zeit nicht sicher war, ob es auch wirklich so bleibt. Im Jahr 1950 wurde die deutsch-polnische Grenze von der DDR anerkannt, 1970 auch von der Bundesrepublik, allerdings mit dem Vorbehalt einer Friedensregelung. Die endgültige Bestätigung der Grenze erfolgte erst mit dem deutsch-polnischen Grenzvertrag im Jahr 1990. Die Zugehörigkeit Stettins zu Polen war also lange Zeit nichts, dessen sich das Land sicher sein konnte. Es war vielleicht nicht ganz klar, ob es sich lohnt, in diese Stadt auch wirklich zu investieren, sie wirklich zu integrieren…

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Der Quistorp-Gedenkstein im Kasprowicz-Park

Stettin hatte einen Wohltäter, dem es unter anderem eine wunderschöne Parkanlage verdankt. Doch bevor ich den Wohltäter vorstelle, ein paar Worte zum Park. Jeden Frühling platzt mein Facebook von Fotos mit Krokussen aus Stettin. Massen von Menschen fotografieren bunte Krokuswiesen im guten alten Jan-Kasprowicz-Park, um den es hier geht. Mit diesem Schatz der Stettiner verbinden mich nicht so viele persönliche Erinnerungen, da ich in der Kindheit an einem anderen Park wohnte (dem Stefan-Żeromski-Park), und später dann am Zentralfriedhof, den ich als Park betrachtete. Und dennoch kann ich mich erinnern, dass ich hier im Kasprowicz-Park in einem kalten Winter von der Anhöhe, wo sich das Amphitheater befindet, mit einigen Schulfreudinnen und -freunden mit dem Schlitten (oder auch ohne) runtergerauscht bin, bis zum vereisten kleinen Stausee Rusałka (Meeresjungfrau) [1], und dass wir dabei Riesenspaß hatten.

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Verleihung des Künstlerischen Preises von Stettin – Gala, Stadtballaden, Kulinarisches

Es ist später Nachmittag, ich sitze in einem meiner Lieblingscafés mit dem schönen Namen Fanaberia (Kapriole), eigentlich einem Teeladen in der Herzog-Boguslaw-Fußgängerzone Deptak Księcia Bogusława. [1] Ich schaue aus dem Fenster, trinke einen von den außergewöhnlichen Tees, die man hier bekommen kann, einen Rosmarin-Orange-Nelken-Zimt-Tee. Ja, es ist zwar Sommer, gerade wurde in Stettin bei großer Hitze ausgiebig die Sommersonnenwende (Noc Kupały) gefeiert, dennoch ist es heute sehr windig, ja geradezu stürmisch. Ohne Jacke komme ich jedenfalls nicht aus. Falls man sich allerdings aufwärmen möchte, kann man hier auch Schokolade trinken, die auch wirklich nach Schokolade schmeckt.

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Ein Mietshaus im Wald. Schätze einer Stettiner Buchhandlung in der Pocztowa 19

Ich tauche immer tiefer in die Geschichten der Stadt ein. Ich bin immer mehr da. Ich versuche nicht mehr nur durch die Stadt zu rasen, um etwas zu erledigen, sondern auch mal auszusteigen, stehen zu bleiben. Einzutauchen in das, was ist. Und dann passiert etwas Seltsames. Ich sehe Sachen, die ich nie wirklich gesehen habe, obwohl ich sie gesehen habe. Ich sehe Menschen, die ich nie wirklich kennengelernt habe, obwohl ich sie kennengelernt habe. Ich versuche, alles neu zu sehen, als ob ich erst gestern zur Welt gekommen wäre. „Alles glänzt so schön neu“, wie der Berliner Hip-Hop-Musiker Peter Fox mal gesungen hat.

Diese Woche habe ich nicht zum ersten Mal, aber wie zum ersten Mal, einen der zauberhaftesten Orte in Stettin gesehen. Es war „magisch“ würde ich sagen, wenn das Wort nicht schon so abgegriffen wäre.

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Kaffee-Trinken mit dem Stadtpräsidenten im Skandinavischen Haus

Nicht jeden Tag wird man zu einer Kaffeerunde mit dem Stadtpräsidenten (Oberbürgermeister) eingeladen. Ich hatte letzte Woche die Ehre. Man hat mich zu einem Gespräch mit Herrn Piotr Krzystek und seinen Mitarbeiterinnen – der Bürodirektorin Agnieszka Gardocka und der Leiterin der Abteilung für internationale Zusammenarbeit Anna Szlesińska – eingeladen, und auch zur Pressekonferenz. Und zwar in eine ganz besondere Lokalität: ins wunderschöne Skandinavische Haus. Und so habe ich sozusagen aus erster Hand viel Neues über Stettin, und insbesondere seine Beziehungen zu den nordischen Nachbarn erfahren.

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Geburtsorte, Gefühle, Fragen der Zeit (oder: In Stettin geboren)

Im Volksmund hieß das besondere, kleine Gebäude „Grzybek“, also „Pilzchen“, wegen seiner Form. Es stand an der viel befahrenen, großstädtischen Kreuzung der Aleja Niepodległości (Unabhängkeitsallee) 1 und der Ulica Stefana Wyszyńskiego (Stefan-Wyszynski-Straße) 2, die ich immer wieder gern überquere, energisch und entschlossen, da man dort als Fußgänger nicht trödeln darf. Verliebte und Freunde haben sich am „Pilzchen“ immer verabredet, wie an der Weltzeituhr in Berlin Alexanderplatz. Auch ich hatte dort Verabredungen, wahrscheinlich sogar mein erstes Date. Kein Wunder, dass mich dort nostalgische Gefühle überkommen.

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In Stettin angekommen

Fünf Monate lang werde ich hier Stadtschreiberin sein. Ich werde auf Stettin mit den Augen einer Außenstehenden, einer etwas Abseits-Stehenden, aber keiner Fremden schauen. Nein, ich bin hier nicht wirklich fremd. In dieser Stadt am Rande Polens gelegen, habe ich ja die ersten zwanzig Jahre meines Lebens verbracht. Ich habe Stettin eines dunklen Morgens am 1. November 1983, fast sofort nach der Aufhebung des vom Jaruzelski-Regime verhängten Kriegsrechts verlassen, als Studentin des zweiten Jahrgangs Polonistik an der damaligen Pädagogischen Hochschule, und bin mit einem jugendlichen Übermut in die Bundesrepublik ausgereist.

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